Würde ich anders mit mir umgehen, wenn ich jemand anderem gehören würde?
Überleitung: Ich möchte gerne glauben – tue es aber nicht. Zumindest nicht an der Oberfläche meines täglichen Denkens. Ich glaube höchstens in Opposition zu anderen. Erst wenn jede Spiritualität verleugnet wird, fühle ich mich als ihr Retter berufen.
In den meisten Religionen wird die Frage nach dem „Woher komme ich“ mit einem letztlich göttlichen Ursprung beantwortet. Ich bin also in diesem Kontext nur eine Leihgabe. Im Moment werde ich den Gedankengang, was denn das Ich ist, wenn es geliehen ist und was übrig bleibt, wenn die Leihgabe stirbt oder neu zusammengesetzt wird, außer Acht lassen. Vielmehr interessiert mich, warum ich gegenüber anderen und anderem so viel einfacher die Fassung wahren kann, mehr Kontrolle besitze und zudem Fehlerhaftes gar nicht erst als Fehler wahrnehme. Es könnte das geringere Interesse am anderen sein. Ich will es nicht verbessern, denn sein Verbessern verschafft mir keine höhere Überlebenschance und auch keinen Lustgewinn. Klingt nicht schön, kann aber sein. Würde ich also jemanden anderem gehören, z.B. Gott, wäre sowohl ein vorsichtigerer Umgang zu erwarten, als auch einer, dem die Selbstoptimierung nicht so sehr am Herzen läge. Ich müsste mich mit dem was mir gegeben ist abfinden. Dies bedeutet gleichzeitig auch das Beste aus dem zu machen, was mir gegeben ist, ohne den Wunsch der Veränderung.
Ich bringe dem Fremden, wenn ich es auch nicht verbessern möchte, mehr Achtung entgegen. Ich behandle den Besitz eines anderen pfleglicher als mein Eigentum. Schließlich muss ich mich gegenüber Niemand rechtfertigen, wenn ich meinen Besitz zerstöre. Sollte ich das Gut eines anderen beschädigen, würde ich in meinen Augen – und vielleicht auch in den Augen der Anderen – Schuld auf mich laden. Außenorientiert wie ich bin würde ich dies nicht wollen, innenorientiert wie ich bin möchte ich dies ebenfalls nicht.
Die Vergänglichkeit würde deutlicher. Eine Leihgabe gehört mir nicht für immer, ich muss sie nach Ablauf der Frist wieder zurückgeben. Möglichst in einem guten Zustand, ohne Eselsohren. Ein gut gefüttertes und gepflegtes Haustier. Würde ich alle Chance ausnutzen, die sich mir böten oder würde ich aus Angst etwas zu verletzten den Rückzug antreten? Ich glaube das käme auf die Nutzungsbedingungen an. Je nach Religion unterscheiden sich diese: Dürfen die Haare gefärbt, der Körper gestochen, die Psyche ausgelotet werden? Auch ob man bei der Rückgabe belohnt, bestraft oder mit einem weiteren Ich inklusive Körper bedacht wird unterscheidet sich.
Da bin ich wieder am Anfang, dem Glauben.
Kann ich mich verschenken und als Leihgabe zurückbekommen?
Vielleicht eine Schenkung an ihn: Jim Moray
Ein schönes Bild und vielleicht ein wünschenswertes Ideal, aber jeder Firmenwagen erzählt dir, das niemand mit fremdem Eigentum oder einer Leihgabe pfleglicher umgeht.
Ich musste kurz grinsen … und natürlich hast du recht, meine Idee der Konsequenzen einer “ich-Leihgabe” ist eine sehr persönliche und es gibt bestimmt Menschen, die mit fremden Eigentum weniger achtsam umgehen als mit dem eigenen. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass man den Leihwagen wieder abgeben kann und vermutlich einen neuen bekommt…. beim Ego/Körper bin ich mir da nicht so sicher. Bleibt abzuwarten…
Aber dein Einwand inspiriert sofort einen neuen Text zu schreiben: Der Leihwagen – oder wie Konzepte von Endlichkeit den Umgang mit dem Selbst verändern. Schwerpunkt wäre dann Karma, Tod und Theodizee.
Ich freue mich inspiriert zu haben. Wobei ich im Kern wahrscheinlich sagen wollte, das Achtung und Respekt leider nicht allumpfänglich und gegenwärtig sind. Egal ob sich selbst, anderen oder auch der Natur gegenüber.
Es gibt die 5 Blue Zones, 5 Orte wo Menschen besonders alt werden. Eine davon ist in Loma Linda in Kalifornien, ein Ort wo sehr religiöse Christen leben und diese Leute leben was du beschreibst. Sie ernähren sich gesund und treiben Sport, weil ihr Körper ein Geschenk Gottes ist und sie ihn deshalb mit Respekt behandeln müssen. Ich davon noch nie vorher gehört und fand es einen interessanten Ansatz. Ich kenne persönlich keine Christen, die diese Einstellung zu ihrem Körper haben. Da ich auch nicht an einen Gott glaube, muss ich mich leider anders motivieren, hahaha….